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Aktiv und gewaltfrei

04. Jul 2024

Zahlreiche gute Impulse für Alternativen zur Gewalt beim Seminar in Fulda

Von Albert Ottenbreit, DV Trier, Seminarteilnehmer

Ob im konkreten Alltagshandeln oder im Kontext kriegerischer Konflikte zwischen Staaten – das Konzept der aktiven Gewaltfreiheit kann dazu beitragen, einen Paradigmenwechsel von der vorherrschenden „Logik der Sicherheit“ zu einer „Friedenslogik“ zu vollziehen. Und Gewaltfreiheit als „Spiritualität für den Frieden“ kann eine wichtige Verwirklichung der jüdisch-christlichen Tradition in unserer von Gewalt beherrschten Zeit sein. 

Dies erlebten die 20 Teilnehmer:nnen beim pax christi-Seminar „Aktive Gewaltfreiheit“ vom 21. bis 23. Juni 2024 in Fulda. Die Tage im Bonifatiushaus waren eine wohltuende und erkenntnisreiche Unterbrechung des oft hektischen Alltags, um in Gemeinschaft über die Krisen und Kriege in der Welt nachzudenken, neue Impulse zu erhalten und Horizonte gewaltfreier Alternativen zu entdecken.   

Gewaltfrei - wie geht das?
Den Einstieg in das Seminar gestaltete als Referent Rainer Gertzen vom Verein „gewaltfrei handeln“. Was sind Merkmale und Wirkungsweisen aktiver Gewaltfreiheit? Wie kommen wir in eine Haltung der Gewaltfreiheit? Was ist überhaupt aktive Gewaltfreiheit? Und wie stehe ich persönlich dazu? Über interaktive Übungen, persönliche Reflexion und den Austausch in kleinen Gruppen näherte sich die Gruppe diesen Fragen. Die thematischen Impulse, wie die praktischen Übungen zeigten Möglichkeiten auf, wie Gewaltfreiheit als Haltung und aktives Handeln Konflikte entschärfen und lösen kann. 
                                                                               
Gewaltfreiheit als eine Spiritualität des Friedens
Zu dieser Dimension der Gewaltfreiheit arbeitete der aus dem Bistum Würzburg stammende Befreiungstheologe Dr. Stefan Silber mit der Seminargruppe.   

Biblische und theologische Aspekte
Im Blick auf Jesus und auf andere Figuren der Bibel und der Geschichte der Kirche lässt sich Gewaltfreiheit als wichtige Verwirklichung der christlichen Botschaft verstehen. Dies gilt auch für uns in der Gegenwart, sowohl im Privaten und Persönlichen als auch im Politischen und angesichts kriegerischer Konflikte. Silber wies auch auf das gerade in deutscher Sprache erschienene Kompendium des internationalen Projekts „Catholic Nonviolence Initiative“ hin. Dort heißt es im Abschlussdokument: „Wir streben danach, gewaltfrei zu leben, weil das die Lebensweise ist, zu der Gott uns beruft, und zwar ganz gleich, was sich daraus ergibt. Gleichzeitig kann Gewaltfreiheit viele Möglichkeiten schaffen, Gewalt zu beenden und den Samen einer Friedenskultur aufgehen zu lassen. Gewaltfreies Engagement in Situationen enormer Gewalt und Ungerechtigkeit überall in der Welt zeigt deutlich die tatsächliche Kraft aktiver Gewaltfreiheit.“       

„Ich habe dein Angesicht gesehen“ (Gen 33,10) – die Frage nach „Gewaltfreiheit und Gott“. 
Am Beispiel der gewaltfreien Begegnung zwischen Jakob und Esau, die in Genesis 33 erzählt wird und auf der „pax christi-Ikone“ zentral dargestellt wird, ging die Gruppe mit Stefan Silber der Frage nach, dass Gewaltfreiheit  für die persönliche Spititualität  - und umgekehrt für unsere Beziehung zu Nächsten und Feinden - eine wichtige friedensstiftende Bedeutung haben kann.

Friedenslogik statt Sicherheitslogik
Die Friedens- und Konfliktforscherin Hanne-Margret Birckenbach aus Hamburg gab der Seminargruppe Impulse, um den Unterschied zwischen einer friedenslogischen und einer sicherheitslogischen Haltung zu verstehen. Diese konträren Haltungen sind wie unterschiedliche Brillen, die wir aufsetzen können, um die Welt zu verstehen. Birckenbach verdeutlichte die Friedenslogik als Alternative zur Sicherheitslogik. In einer praktischen Übung konnten verschiedene Positionierungen jeweils der Friedens- bzw. der Sicherheitslogik zugeordnet werden.  

Dialogisches Handeln
In einer weiteren Seminareinheit erläuterte Professorin Hanne Birckenbach Dialogverträglichkeit des Denkens und Handelns als friedenslogisches Handlungsprinzip, das grundlegend ist, um Gewaltkreisläufen vorzubeugen und Konflikte zu transformieren, Interessen normkonform zu entwickeln und aus Fehlern zu lernen. Sie ging mit der Gruppe der Frage nach, was in der Friedensarbeit helfen könne, über die eigenen Positionen hinauszudenken, friedenspolitische Denk- und Kooperationsräume neu zu öffnen und für breitere Kreise ansprechend zu gestalten. In Rollenspielen wurden praktische Anknüpfungspunkte, aber auch Schwierigkeiten erkennbar. Der Weg, in Gesprächen vom „argumentativen Schlagabtausch“ zum „verstehenden Dialog“ ist schwierig, aber möglich und man kann es zumindest versuchen. 

Perspektiven für pax christi
Das Seminar hat deutlich gemacht, dass das Konzept der „aktiven Gewaltfreiheit“ ein wichtiges Zukunfts-Thema für die pax christi-Bewegung ist. Die Vielfachkrisen des „warenproduzierenden Patriarchats, bzw. der kapitalistischen Welt-Un-Ordnung“ schreien nach einer radikalen, grundsätzlichen Umkehr - für uns als Individuen wie als Gesellschaften, in Theorie und Praxis, gesellschaftspolitisch wie theologisch: Wir müssen nicht „kriegstüchtig“, wir müssen dialog- und friedensfähig werden!